Ausgabe
7 / Juni 2003

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Der rote Hammel

SPD

Ortsverein

Tamm

Kindergarten zwischen Kindheit und Lernfabrik

Im April veranstaltete der Tammer SPD- Ortsverein zum 13. Mal ein Tammer Gespräch, das unter dem Motto "Kindergarten zwischen Kindheit und Lernfabrik" stand. Das Thema war gut gewählt, die Ortsvereinsvorsitzende Elke Kohler konnte sich in ihrer Begrüßung über einen vollen Saal freuen, zahlreiche Eltern, Elternvertreter und Erzieherinnen waren erschienen.

Nach dem schlechten Abschneiden deutscher Schüler beim PISA- Test stellt sich die Frage nach Konsequenzen in der Bildungspolitik. Während viele glauben, das Problem durch Reformen in der Grundschule oder im Gymnasium lösen zu können, stellte der Ortsverein die Frage nach den Konsequenzen für die Kindergärten. Die Vorsitzende der SPD-Gemeinderatsfraktion Sonja Hanselmann-Jüttner formulierte an die drei anwesenden Referentinnen daher die Frage, was Kindergärten eigentlich sein sollten: Vorbereitung auf die Schule oder Ort unbeschwerten Spielens?

Ulla Haußmann, Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Arbeitskreises Sozialpolitik der SPD Baden- Württemberg, erläuterte in ihrem Vortrag das neue Kindergartengesetz der Landesregierung, das zum 2004 in Kraft tritt, und die Position der SPD. Zunächst wies sie darauf hin, dass Kinderbetreuung nicht nur Sache von Bildungspolitikern sei, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie kritisierte das in Baden-Württemberg besonders hohe Defizit bei Kinderhorten, für das sie alte Ideologien, wonach Frauen an den Herd gehören, verantwortlich machte. Diese Vorstellung sei bei CDU wohl noch immer verbreitet. Das neue Kindergartengesetz legt die Verantwortung für die Kinderbetreuung in die Hände der Kommunen. Damit schiebe die Landesregierung die Verantwortung ab. Für die Eltern habe das zur Folge, dass sie ihre Ansprüche in Zukunft vor der Gemeinde vertreten müssten. Verschlechtern würde sich durch das neue Gesetz auch die Lage von nichtstaatlichen Einrichtungen wie Waldorf- und Montessori- Kindergärten, da sie weniger Zuschüsse erhalten. Sie kritisierte das Fehlen von Mindestqualitätsstandards. Auch sei der finanzielle Beitrag des Landes zu gering.

Dem stellte sie das Konzept der SPD gegenüber, das auf ein umfassendes Kinderbetreuungsangebot für Kinder von 0 - 14 Jahren setzt. Während das Land nur auf eine freiwillige Sprachstandsdiagnose setzt, fordert die SPD diese kostenlos und verpflichtend. 20 Prozent der Kinder bedürtten einer beonderen Förderung, so Haussmann. "Mit freiwilligen Angeboten kann man diese oft nicht erreichen." Anstatt Erlöse des Landes in eine Landesstiftung einzustellen, sollen diese Gelder zur Schuldentilgung verwendet werden. Die dadurch eingesparten Schuldzinsen sollten in die Bildung investiert

 

werden. Die SPD fordere zudem bessere Weiterbildungsmöglichkeiten für Erzieherinnen.

Petra Kilian, Leiterin einer Kindertagesstätte und Vorsitzende der Fachgruppe "Sozialpädagogische Berufe" in der GEW, setzte sich mit den Konsequenzen der PISA-Studie für Kindergärten und die Ausbildung von Erzieherinnen auseinander. Das neue Kindergartengesetz bezeichnete sie als Rückschritt. Sie forderte, die Erkenntnisse der Forschung und die Folgen des gesellschaftlichen Wandels in der Bildungspolitik zu berücksichtigen und die Mittel weniger für Reformen im Gymnasium, sondern verstärkt im frühkindlichen Bereich einzusetzen: "Nie wieder lernt man so leicht." Kindergärten dürften weder Lernfabrik noch Ort reinen Spielens sein, meinte sie in Bezug auf das Thema des Gesprächs. Die Frage stelle sich, ob es schulfähige Kinder oder eine kindfähige Schule geben müsse. Sie forderte, die Rahmenbedingungen für Erzieherinnen zu verbessern: Die Gruppengröße müsse reduziert, die Ausbildung der Erzieherinnen an die Fachhochschule verlegt und bessere Fortbildungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Tanja Volz vom Gesamtelternbeirat der Tammer Kindergärten erläuterte die Wünsche und Befürchtungen der Eltern und beschäftigte sich mit der Frage, wie Elternarbeit im Kindergarten zukünftig aussehen könnte.

Es sei wichtig, dass der Kindergarten auf die Schule vorbereitet. Paukerei wie in der Schule lehnte sie jedoch als Mittel ab. Zur Früherkennung von Schwächen und zur Vermittlung von Sprachkompetenz sei mehr und gut ausgebildetes Personal notwendig. Das neue Kindergartengesetz kritisierte sie als völlig undurchschaubar.

Die anschließende Diskussion, ein zentrales Element im Konzept der Tammer Gespräche, führte zunächst zu der Erkenntnis, dass sich die Situation der Kindergarten nur durch Engagement der Betroffenen verbessern lasse. Dies gelte umso mehr, wenn die Kinderbetreuung bald in der Verantwortung der Gemeinde liegen wird.

Ausführlich wurde auf die Frage "schulfähiges Kind oder kindfähige Schule" eingegangen. Einig war man sich, dass der Kindergarten keine Lernfabrik sein dürfe und dass Sprachförderung ein wichtiger Bestandteil sei, an dem täglich gearbeitet werden müsse. Im Publikum anwesende Erzieherinnen wiesen darauf hin, dass Lernen nicht nur schulisches Lernen sei, und dass auch spielerische Formen zu einem Lernprozess führten.

Sonja Hanselmann- Jüttner stellte ihr Fazit unter dasStichwort Vernetzung und sprach sich für eine enge Zusammenarbeit zwischen Eltern und Erzieherinnen, Kindergärten und Schulen sowie Eltern und Kommune aus.

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